CDU St. Leon-Rot

Schulreform: Evolution statt Revolution

Namensbeitrag im VBE-Magazin zur Schulreform

Die Koalition aus Grünen und CDU hat eine grundsätzliche Verständigung über wichtige Weichenstellungen für die Bildungspolitik in BW erzielt. Das Bildungspaket bietet große Chancen für die Schülerinnen und Schüler im Land. Die Investitionen in das Sprachförderpaket in der frühkindlichen Bildung sind ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit, damit die Sprachkenntnisse zum Schulstart deutlich besser werden.

Andreas Sturm MdLAndreas Sturm MdL

Die grundsätzliche Frage bei einer Bildungsreform hinsichtlich der Sekundarschulen lautet: Evolution oder Revolution? Zuletzt blies eine Arbeitsgruppe, unterstützt durch die Robert-Bosch-Stiftung, mit der Forderung nach einer „Neue[n] Sekundarschule in Baden-Württemberg“ zur Revolution: Zusammenführung von Haupt- und Werkrealschule, Realschule, Gemeinschaftsschule und SBBZ zu einer neuen inklusiven Schulart.

Eine Lehre aus der grün-roten Regierungszeit in BW ist: Schulen benötigen Ruhe und einen verlässlichen Rahmen, damit diese sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können: guter, lernwirksamer Unterricht. Deshalb sind Veränderungen in der Schulstruktur sehr sensibel.

Als CDU legen wir Wert darauf, dass Schulleitungen, Lehrerkollegien und Schulträger bei Veränderungen mitgenommen werden. Veränderungen sollten zudem anreizbasiert erfolgen.

Die CDU hat sich in Anlehnung an das Realschulkonzept des VBE dafür eingesetzt, die Orientierungsstufe auf die Klassenstufe 5 zu verkürzen. Zudem sollen kooperative Verbünde zwischen Realschulen ermöglichen, dass nicht an allen Standorten das G-Niveau angeboten werden muss. Wo möglich und vor Ort gewünscht, sollen (nicht müssen) Hauptschulen und Realschulen Schulverbünde eingehen und zwei separate Bildungswege unter einem organisatorischen Dach anbieten. Davon können beide Partner profitieren.

Das gegliederte Schulsystem lebt von der funktionierenden Steuerung der Übergänge. Die weiterentwickelte Grundschulempfehlung (Modell „2 aus 3“) und die Verankerung eines Potenzialtests für das Gymnasium sind insofern richtungsweisend und ein erster Meilenstein.

Mich wundert die Fixierung verschiedener Bildungswissenschaftler auf Veränderungen in der Schulstruktur. Natürlich kann man sich monatelang Gedanken machen, welche Schulstruktur wissenschaftlich betrachtet ideal sein mag. Wenn ich die Ankündigungen anlässlich der Einführung der Gemeinschaftsschule Revue passieren lasse, konstatiere ich, dass die damaligen Erwartungen zahlreicher Wissenschaftler so nicht eingetreten sind.

Es ist wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Bei der Reise des Bildungsausschusses 2023 in Kanada wurde schnell klar, dass Schulsysteme aus anderen Ländern nicht 1:1 übertragbar sind. Ich denke auch an einen Beitrag des Deutschlandfunks: „Bildung in Singapur - Warum der Stadtstaat bei PISA-Studien ganz oben steht.“ (8. April 2024) Es bestehe eine hohe Bildungsaffinität der Gesellschaft und eine hohe Leistungsbereitschaft der Schüler. Gelegentlich klatschen Schüler spontan für einen Klassenkameraden, der es schafft, ein komplexes mathematisches Problem zu lösen. Lernerfolge werden von den Schülern gefeiert, während hierzulande einige von der Abschaffung von Schulnoten träumen.

In diesem Zusammenhang höre ich öfter Stichwörter wie Deeper Learning, Flexible Grouping und Lernbänder. Hierfür sind keine neuen Schularten notwendig. Das fällt in die Bereiche Pädagogik, Methodik und Didaktik fortlaufender Unterrichtsentwicklung.

Wir brauchen Evolution statt Revolution. Wissenschaftliche Überlegungen sind wichtig; auch das Denken von Nicht-Erfüllbarem kann den Blick auf das Erfüllbare schärfen. In jedem Fall sollte Wissenschaft ihre Konzepte von der breiten Praxis bewerten lassen und nicht nur von Personen, die bestimmte Projekte selbst vorantreiben.

An dieser Stelle möchte ich den Lehrerinnen und Lehrern danken, die mit ihrem Engagement tagtäglich zum Wohle unserer Kinder arbeiten. Es ist nämlich das Wohlergehen und die Zukunft der Kinder, die immer im Vordergrund bei schulischen Entscheidungen stehen muss.

Mein Credo lautet: Eine Änderung der Schulstruktur führt nicht zwingend zu besserem, lernwirksamem Unterricht. Das Ziel sollte sein, Unterricht in den bestehenden Strukturen zu verbessern. Unterricht muss sich fortlaufend an neue Entwicklungen anpassen und diese aufnehmen: von aktualisierten Bildungsplänen, in pädagogischen Konzepten, in einer neuen Methodik und in Entwicklungen in der Fachdidaktik sowie Anstrengungen im Bereich der Lehrkräfteaus- und Fortbildung. Wir müssen mehr auf die datenbasierte Schulentwicklung setzen. Innerhalb jeder Schulart gibt es - gemessen an Lernstanderhebungen und Schulabschlüssen - gut und weniger gut arbeitende Schulen. Daher sollte die Entwicklung und Bereitstellung von Good-practice gefördert werden, mit dem Ziel, gemeinsam besser zu werden. Das ist fortlaufende Schul- und Unterrichtsentwicklung. Zugegeben, ein Unterfangen, das Arbeit im Detail verlangt: das ist Knochenarbeit. Nicht immer sexy für wissenschaftliche Studien, aber vielversprechend. Überlegungen in der Metaebene mögen da einfacher sein. Es ist effizienter, die datengestützte Schulentwicklung voranzutreiben. Ehrliche Analyse, ehrliche Konsequenzen und keine Phantomdebatten.